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Martin Debald

LiFePo4 Batterien mit leistungsstarkem, aktiven Balancer als Qualitätsmerkwahl? Wirklich?

Nachdem in den letzten Monaten andauern die Frage von Kunden aufkommt, warum unsere Batterien keinen leistungsstarken, aktiven Balancer haben, dies sei ja so wichtig und viele Hersteller werben damit als Qualitätsmerkmal, habe ich eine ausführliche Erklärung erstellt wie und warum ich dies für keine gute Idee oder gar ein Qualitätsmerkmal halte. Ich habe mich bemüht möglichst auf komplizierte, technische Beschreibungen zu verzichten und den Text allgemeinverständlich zu halten.

Zuerst:

Die hier verfasste Erklärung bezieht sich auf die Verwendung von prismatischen Zellen, lässt sich aber auch grösstenteils auf Rundzellenbatterien übertragen.

Ein Balancer ist eine technische Einrichtung welche dafür sorgt das die Zellen immer auf gleichem Niveau geladen sind. Sie wirkt somit der Abweichung der einzelnen Zellen oder Zellenblöcke, dem sog. «Zellendrift» entgegen. Meistens ist dieser im BMS (Batteriemanagementsystem) integriert. Es gibt aber auch externe Produkte.

Aber wieso kommt es dazu? Jede Zelle weist im Vergleich zu anderen Zellen in der Produktion minimale Unterschiede auf. Dies ist völlig normal und lässt sich nicht verhindern, jedoch hat die Qualität der verwendeten Stoffe, sowie die Art der Produktion entscheidenden Einfluss auf die Zellenqualität, was sich, logischerweise, auch im Preis bemerkbar macht.

Durch diese minimalen Unterschiede verhalten sich die Zellen ebenfalls minimal anders und werden somit bei Ladung und Entladung ungleich geladen. Um diese Unterschiede, wenn sie denn zu gross werden, auszugleichen wird ein Balancer verwendet. Je grösser dieser Zellendrift, je stärker muss der Balancer sein um diesen auszugleichen.

Hersteller hochwertiger Batterien betreiben einen relativ hohen Aufwand um den Zellendrift so weit wie möglich zu reduzieren. Hierzu zählt das in einer Batterie grundsätzlich nur Zellen der gleichen Charge verbaut werden. Zudem werden die Zellen in einem aufwändigen Testverfahren so ausgewählt das nur Zellen mit möglichst geringen technischen Abweichungen zueinander verwendet werden. Zudem werden die Zellen vor der Montage auf ein exakt gleiches Energieniveau geladen.

Wichtig hierbei ist das diese Tests auch bei verschiedenen Betriebstemperaturen durchgeführt werden da die Zellchemie sehr stark auf Temperaturänderungen reagiert. Bei günstigen Zellen werden die Tests zur Bestimmung der Leistungsdaten in der Regel bei einer Temperatur von 21°C durchgeführt, bei hochwertigen Zellen in verschiedenen Temperaturbereichen, welche auch bis an die Betriebsgrenzen gehen. Hier zeigen sich oft deutliche Unterschiede, gerade bei höheren Betriebstemperaturen.

Dieser Vorgang ist zeitlich aufwändig, die entsprechenden Testgeräte kosten viel Geld, brauchen viel Platz und es entsteht ein grosser zeitlicher Aufwand, da diese Testes mehrere Stunden dauern. Selbstverständlich sind auch Mitarbeiter zum Bestücken der Testanlagen und Überwachen der Tests nötig.

Da aufgrund dieser Massnahmen in den entsprechend gefertigten Batterien kaum ein Zellendrift entsteht, wird auch im Normalfall kein leistungsstarker Balancer benötigt. Die meisten BMS verfügen über 50-100mA (0,05-0,1A) passive Balancer, welche nur beim Ladevorgang aktiv sind und bei einer hochwertigen Batterie völlig ausreichen. Es gibt auch BMS mit aktivem Balancer, dazu in einem anderen Eintrag mehr.

Wird dieser, nicht gerade günstige, Vorgang allerdings nicht angewendet, oder werden einfach irgendwelche Zellen gemischt, wie z.b. wenn man diese im Netz kauft, spart man zwar einiges an Kosten, es entstehen die Probleme mit dem Zellendrift während Ladung und Entladung die sich exponentiell mit dem Stromfluss steigern. Um dieses Problem dann zu beseitigen wird ein entsprechend starker Balancer verwendet.

Es gibt Hersteller die bei einer 100-200Ah Batterie separate, aktive Balancer mit 3 - 5A verwenden.

Zu bedenken ist das diese Balancer dann überwiegend selbstständig arbeiten und parallel vom BMS verbaut sind. Dies führt u.a. dazu, dass das BMS die vom Balancer «verschobene» Energie, sowie die dadurch entstehenden Verluste (in Form von Wärme) nicht erfasst. Somit stimmt die SOC-Anzeige (Ladezustands-Anzeige), welche vom BMS berechnet wird, nicht. Je nach Qualität der Zellen können sich Abweichungen von bis zu 10% der Kapazität ergeben, was dazu führt dass der Nutzer aufgrund der SOC-Anzeige der Meinung ist, er habe noch eine Restkapazität zur Verfügung obwohl dies nicht mehr so ist und das BMS wegen des Unterspannungsschutzes abschaltet.

Hinzu kommt das der Balancer bei hohen Strömen z.b. beim Betrieb eines Wechselrichters oder eines Hochleistungsladegerätes, wie z.b. der TBBPOWER CM2.0 oder 3.0 (120-180A Ladestrom) bzw. bei Zellenspannungen welche unter seiner Einschaltschwelle von üblicherweise 3.4V liegen, ohnehin nichts mehr ausrichten kann. Wird eine Batterie also viel mit hohen Strömen verwendet und oder nie annähernd vollgeladen, wird der Zellendrift immer grösser und kann nur ausgeglichen werden wenn die Batterie geladen wird (meistens entspricht ein SOC über 80% dem entsprechendem Spannungswert). Wird die Batterie aber nicht bis in diesem Bereich geladen, was bei vielen Anwendungen, z.b. im «bewohnten» Wohnmobil und autarkem Betrieb durchaus vorkommt, wird auch entsprechend der Balancer nie aktiv und der Zellendrift somit immer grösser und es kann vorkommen, dass das BMS wegen zu hoher Zellenspannungsdifferenz die Batterie abschaltet. Dies kann sowohl beim Entladen, als auch beim Laden geschehen und lässt sich in der Regel nicht umgehen.

Bei den von mir verwendeten, hochwertigen Batterien, u.a. der Marke TBBPOWER, tritt dieses Problem nicht auf. Die Zellen arbeiten alle mit den nahezu exakt gleichen Parametern über den gesamten Leistungs- und Temperaturbereich. Von mir durchgeführte Tests mit einer TBBPOWER M12-200 Batterie (12.8V 200Ah, 2560Wh) im Realeinsatz in meinem Wohnmobil haben ergeben das der integrierter Balancer bei einer gemessenen BMS-Laufzeit von 1550h nur gerade einmal 3h aktiv war. Die Batterie wurde in dieser Zeit allerdings mehrmals bis zu ihren Leistungsgrenzen belastet und bis zur Sicherheitsabschaltung entladen.

Hier noch kurz in Zahlen zu den Zellen-Kosten (Quelle Aliexpress, Wish etc ohne Spezialrabatte ):

4 Stück LifePo4 Prisma-Zelle 3.2V 150Ah CHF 70-80 pro Stück = 280 – 320CHF pro Block

4 Stück LiFePo4 Prisma-Zelle mit gleichen Daten, CHF 572 pro Block, nicht einzeln.

Daraus ergibt sich schon ein relativ grosser Preisunterschied. Dies ergibt sich aus den vorgängig beschriebenen aufwändigen Auswahlverfahren. Entsprechend erhöht sich natürlich der Gesamtpreis der Batterie.

Leider verstehen dies viele Endkunden nicht und orientieren sich an den Werbebotschaften gewisser Hersteller.

Wobei auch hier zu beachten wäre: Kein Premium-Hersteller wirbt mit einer solchen Aussage. Selbst mittelpreisige Batterien, bei welchen Preis/Leistung passen, verwenden standart-BMS und benötigen keine externen Balancer.

Meine Erfahrung bisher zeigt dass die meisten Batterien, welche mit «Aktivem Balancer mit 3-5A» beworben werden von kleineren «Herstellern» stammen und oft selbst und in Kleinserien zusammen gebaut werden, was auch oft zusätzlich als separates Qualitätsmerkmal beworben wird.


Mein Fazit daher: Ein leistungsstarker, aktiver Balancer ist eher ein Indiz für günstige Batterien oder Zellen und keinesfalls ein Qualitätsmerkmal.

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